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Loslassen, sich von alten Dingen trennen, sich auf das wirklich Wichtige einlassen: das führt zu mehr Gelassenheit.

Leseprobe

Es gibt Situationen, da gelingt es fast spielerisch und mühelos, den Kurs zu ändern und loszulassen. Manchmal sind es äußere Umstände, die das Spiel unserer Kräfte neu ordnen. Ein bestimmter Geruch, ein atemberaubendes Panorama oder auch das gelehrte Ansammeln neuer Erkenntnisse und Fakten können uns ganz überraschend in eine völlig verwandelte Stimmung bringen. Mitunter bedarf es nur eines Anrufes und ein schwieriger Tag, erscheint trotz aller dagegen sprechenden Evidenzen in einem ganz neuen Licht. Vorher noch angespannt, missmutig, überlastet wegen der vielen Anforderungen von allen Seiten, unter Zeitdruck und kurz angebunden, ist man plötzlich wie verwandelt. Die Situation hat sich nicht geändert, aber die eigene Sichtweise. Alles, was vorher schwierig und kaum zu schaffen war, geht nun leicht von der Hand, nur wegen eines unverhofften Anrufes, der eine angenehme Überraschung oder Neuigkeit ins Haus brachte. Aber wer sagt uns, dass bald wieder die Ankündigung eines Erfolgs oder die Erfüllung eines Wunsches ins Haus steht? Es ist also nicht gerade sehr praktisch, sich von äußeren Ereignissen abhängig zu machen. Besser ist es, selbst eine Methode des Loslassens zu finden, um aus dem verzwickten Teufelskreis auszusteigen, die immer dann verfügbar ist, wenn man sie braucht. Wir benötigen eine rasche, auf der Stelle wirksame Fertigkeit, die hilft, Situationen oder Dinge zu lassen und geschehen zu lassen, ohne stets die Kontrolle haben oder behalten zu müssen.
Loslassen ist eine Haltung, die sich ansiedelt zwischen Allmachtsphantasien und Ohnmachtsgefühlen, zwischen Euphorie und Depression. Loslassen ist auch eine Kunstfertigkeit, die von der Technik fanatischer Kämpfer genauso weit entfernt ist wie von der Resignation, die Würde mit Rückzug verwechselt. Wir machen uns selten klar, dass der Prozess, in dem wir zu unserer Eigenart und unserem Eigensinn finden, immer darauf beruht, dass wir Überflüssiges loslassen, Vorhaben aufgeben und aus der Vielfalt der Möglichkeiten die wählen, die uns gemäß sind. Unsere Sprache entwickelt sich, indem wir die Unzahl der möglichen Laute reduzieren, die für unsere Kommunikation einen Sinn machen. Unser Freundeskreis ergibt sich, indem wir soundsoviele andere mögliche weglassen, damit wir uns tiefer einlassen können.
Normalerweise begegnen Menschen Problemen, indem sie sich mehr anstrengen oder kämpfen und nach Lösungen suchen – manchmal um jeden Preis. Erfolgt die gewünschte Lösung nicht, versuchen sie mehr desselben, obwohl die meisten wissen, dass zweimal soviel eben nicht doppelt so gut ist und die Sache oft sogar verschlimmert. Vergleichbar ist diese Art der Lösungssuche mit einem Hammer, mit dem wir etwas zu reparieren versuchen, obwohl manchmal nur ein sanfter Fingerdruck genügen würde. Es gibt tatsächlich unzählige Situationen, in denen das Gegenteil von Druck und Anstrengung zur Lösung und Entspannung beitragen. Ähnlich wie der schleudernde Autofahrer, der seine Räder auf Schleuderkurs bringt, statt dagegen zu lenken, können auch wir in problematischen Situationen lernen „mit dem Problem zu gehen“, statt dagegen anzukämpfen. Man spart eine Menge Energie, wenn man seine Verteidigungs- und Angriffshaltung aufgibt, und stattdessen seine Geisteskräfte einsetzt, um loszulassen, nicht zu handeln, einen Schritt zur Seite zu tun oder geschickt auszuweichen.

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